Spotlights: Erster Praxisleitfaden für brandschutztechnische Nachweise im Modulbau

Campus GmbH

Wissenschaft, Wirtschaft und Politik schaffen gemeinsam eine Grundlage zur weiteren Entwicklung von systemrelevanten Standards

Die Bedeutung von modularem Bauen nimmt immer weiter zu. Die steigenden Bevölkerungszahlen und der demographische Wandel erfordern eine schnelle und qualitätsvolle Schaffung von Wohnraum sowie von Gesundheits-, Bildungs- und Betreuungsimmobilien. Für den Erfolg dieser Bauweise mit Raummodulen, Containern oder auch ehemaligen Seefrachtcontainern sind die bauordnungsrechtlichen Anforderungen beim Zulassungs- und Genehmigungsprozess relevant. In Bauprojekten mit Raumzellen stellen sich Bauherrschaften, Planer, Hersteller und Behörden immer wieder die Frage, welche bautechnischen Nachweise, insbesondere zum Brandschutz, konkret erforderlich sind. Da bisher kein einheitliches Verständnis bei allen Beteiligten hinsichtlich der Eigenschaften, Voraussetzungen und Eignungen der Nachweise besteht, führt dies zu Unsicherheiten und Verzögerungen in den Projektabläufen sowie letztendlich Kostenanstiegen. Die Folge: Die eigentlichen Vorteile der Raumzellen-Bauweise gegenüber der konventionellen Bauweise, die neben ökologischen Aspekten insbesondere in einer kürzeren Projektdauer sowie in potentiell geringeren Projektkosten liegen, kommen nicht zum Tragen.

Konsortialprojekt zum Brandschutz im Modulbau

Das deutschlandweit tätige Sachverständigenbüro BFT Cognos (Aachen), immatrikuliertes Mitglied im Center Building and Infrastructure Engineering auf dem RWTH Aachen Campus, erkannte das Potenzial eines Industrie- und Wissenschaftskonsortiums im Modulbau. Georg Spennes, Geschäftsführer der BFT Cognos und Centerleiter Dr. Carl Richter ergriffen gemeinsam die Initiative. Nach einem ersten Treffen mit einigen Raumzellenherstellern schlossen sich mit der Zeit elf Unternehmen als Konsortium zusammen und wurden Mitglied im Center Building and Infrastructure Engineering: Algeco, ALHO, AMTRA, BFT Cognos, BOLLE, Cadolto, containerwerk, ELA, SÄBU, KLEUSBERG, ProContain, Zeppelin Rental. Von der wissenschaftlichen Seite ist das Institut für Stahlbau der RWTH Aachen University mit seinem Lehrstuhl für Stahl und Leichtmetallbau sowie dem Lehr- und Forschungsgebiet Nachhaltigkeit im Metallleichtbau in dem Konsortium vertreten. Parallel sah ebenfalls das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen eine hohe Relevanz dieses Themas und wurde Kooperationspartner des Konsortiums.

Wirtschaft, Wissenschaft und Politik bündeln ihr Fachwissen

Gemeinsam ging das Konsortium in regelmäßigen Arbeitstreffen die komplexen Fragestellungen zur brandschutztechnischen Nachweisführung an und erarbeitete innerhalb von einem Jahr den ersten Praxisleitfaden zu Anforderungen an Bauteile von Raumzellengebäuden als Stahltragkonstruktion aus Gründen des Brandschutzes. Dieser umfasst

  • die Einführung und Definition von Begrifflichkeiten und Anforderungen,
  • die Unterteilung in drei Raumzellentypen: Typ I (Seefrachtcontainer), Typ II (nach außen freie Stahlrahmen) und Typ III (nach außen beplankte Stahlrahmen),
  • die Auflistung und Evaluierung der Nachweisformen der Verwendbarkeit und Anwendbarkeit auf nationaler wie europäischer Ebene sowie
  • die Darstellung alternativer Nachweisansätze auf Basis der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen.

Der aktuelle Nutzen

Der Praxisleitfaden bietet Bauherrschaften, Planern, Herstellern sowie Behörden eine einheitliche Hilfestellung. Für das Aachener Konsortium ergeben sich jedoch noch weitere Vorteile durch diese Zusammenarbeit:

  • Die beteiligten Hersteller bringen ihre Fragestellungen direkt auf politischer Ebene ein.
  • Da sie direkt an der Ausarbeitung beteiligt waren konnten sie mit ihrem Wissensvorsprung früher auf die gewonnenen Erkenntnisse reagieren beziehungsweise diese umsetzen.
  • Das Institut für Stahlbau der RWTH erweitert aufgrund dieses Konsortialprojektes sein Lehrangebot, in dem es gemeinsam mit dem Brandschutzexperten BFT Cognos eine neue Brandschutzvorlesung für Studierende entwickelt.

Fortsetzung folgt: Konstruktionsmerkmale und technische Standards

Der Praxisleitfaden ist Teil einer mehrstufigen Strategie des Centers Building and Infrastructure Engineering und seiner Mitglieder, der in Phase 1 nun mit Veröffentlichung abgeschlossen wurde. In Phase 2 werden jetzt mit einer Projektlaufzeit von bis zu einem Jahr Konstruktionsmerkmale für die drei Raumzellentypen erarbeitet. Das Konsortium steht dabei beispielsweise vor der Herausforderung, für den Raumabschluss einer Raumzelle mehrere Konstruktionsmerkmale für einen technischen Standard für den Brandschutz zu entwickeln. Der gesamte Raumabschluss muss die Fähigkeit besitzen, einem Brand so standzuhalten, dass kein Rauch oder Feuer aus der Raumzelle austritt. In aktuellen Testverfahren werden derzeit nur einzelne Bauteile einer Raumzelle verbrannt, um das Verhalten raumabschließender Materialien zu bewerten. Perspektivisch könnten in Phase 3 die final erarbeiteten Konstruktionsmerkmale in einer Richtlinie für Modulbaukonstruktionen zusammengefasst werden.

Stimmt Ina Scharrenbach

MHKBG 2019 F.Berger CC-BY-SA 4.0

Stimme Dipl.-Ing. Andreas Plum
Stimme Jörg Löber
Stimme Jens Vetter
Stimme Prof. Markus Feldmann
Zitat Dr. Carl Richter, Geschäftsführer des Centers Building and Infrastructure Engineering (CBI)

Das Center Building and Infrastructure Engineering (CBI)

Das Center Building and Infrastructure Engineering (CBI) im Cluster Bauen ging Anfang 2019 mit zehn immatrikulierten Unternehmen an den Start. Mittlerweile sind 22 Unternehmen aus verschiedenen Bereichen des Bauwesens im CBI aktiv. Die Zielsetzung des CBI liegt in der Entwicklung einsatzoptimierter Materialien und maßgeschneiderter Bauprodukte und -systeme sowie in der digitalen Abbildung der Prozesse im konstruktiven Ingenieurbau. Das CBI möchte zusammen mit der Industrie Innovationen sowie Technologietransfers effizienter umsetzen und somit schneller vom Labor auf die Baustelle bringen.

Das Konsortium

Ihr Kontakt:

Dr. Carl Richter
Geschäftsführer
Center Building and Infrastructure Engineering (CBI)
Telefon: +49 241 80-23650
E-Mail: richter@cbi.rwth-campus.com

Unterteilung der drei Raumzellentypen

ALHO

Typ 3 (nach außen beplankte Stahlrahmen) | ALHO Modulbau für VOLVO; Copyright: ALHO

KLEUSBERG

Typ 3 (nach außen beplankte Stahlrahmen) | Verwaltungsgebäude Regensburg | KLEUSBERG Modulares Bauen; Copyright: KLEUSBERG

KLEUSBERG

Typ 2 (nach außen freie Stahlrahmen) | Interimsschule Wiesbaden | KLEUSBERG Modulares Bauen; Copyright: KLEUSBERG

ALHO Holding GmbH

Typ 2 (nach außen freier Stahlrahmen) | Baustellenbüro München | ProContain; Copyright: ALHO Holding GmbH

Containerwerk/Stefan Hohloch

Typ 1 (Seefrachtcontainer) | Wertheim | Containerwerk; Copyright: Containerwerk/Stefan Hohloch