31. August 2020
Das Center Building and Infrastructure Engineering (CBI) im Cluster Bauen ging Anfang letzten Jahres mit zehn immatrikulierten Unternehmen an den Start. Mittlerweile sind 22 Unternehmen aus verschiedenen Bereichen des Bauwesens im CBI aktiv. Das CBI möchte zusammen mit der Industrie Innovationen sowie Technologietransfers effizienter umsetzen und somit schneller vom Labor auf die Baustelle bringen. Erfahren Sie mehr über das CBI im Interview mit dem Geschäftsführer Dr.-Ing. Carl Richter.

Wofür steht das Center Building and Infrastructure Engineering (CBI)? Und was bieten Sie Ihren Mitgliedern genau an?

Im CBI werden die vielfältigen Kompetenzen der vier beteiligten RWTH-Institute – Stahlbau, Massivbau, Straßenwesen und Baustoffforschung – gebündelt. Zusammen mit unseren immatrikulierten Mitgliedern aus der Bauindustrie wird daran gearbeitet, innovative Bauweisen, Materialien oder Verfahren in enger Kooperation mit den Behörden praxistauglich umzusetzen. So kann der oftmals langwierige Prozess des Technologietransfers bis auf die Baustellen beschleunigt werden. Ein Vorteil dabei ist sicherlich die frühe fachliche Einbeziehung der entsprechenden Behörden, die ihre Erfahrungen in die Projekte mit einbringen. Dadurch können neben den technischen auch die behördlichen Anforderungen von Beginn an erfüllt werden. Aus diesem Grund bieten wir den Unternehmen neben den Konsortialprojekten auch Full-Service- Zulassungen von neuen Produkten an.

Das Center Building and Infrastructure Engineering (CBI) wurde Anfang 2019 gegründet – wie war Ihr Start und welche Bilanz ziehen Sie?

Die Initiierungsphase unseres Centers war eine echte Herausforderung. Zum einen war für die Baubranche das Campus-Konzept, also eine wettbewerbs- und branchenübergreifende Zusammenarbeit, neu. Hier musste zu Beginn bei potentiellen Unternehmen wirklich Überzeugungsarbeit geleistet werden. Zum anderen waren die Themen sehr vielseitig und breitgefächert, um die ersten Projekte konkret zu definieren. Ein besonderer Vorteil dieser Vorbereitung lag allerdings für alle Beteiligten bereits darin, dass sie durch die konstruktiven Diskussionen neue Impulse bekamen. Das CBI ging schließlich mit den vier RWTH-Instituten und zehn Unternehmen und unter fachlicher Einbindung verschiedener Behörden im Januar 2019 an den Start. Innerhalb der drei Schwerpunktthemen Brückenbau, Hochbau und Straßenwesen konnten innerhalb des ersten halben Jahres bereits vier technische Projekte angegangen werden.

Welche vier Projekte waren dies im Detail?

Unser Fokus lag auf der Akzeptanzsteigerung des modularen Brückenbaus, der Querkrafttragfähigkeit von Stahlbetonplatten mit Leitungsöffnungen, der durchgehend bewehrten Betonfahrbahndecke sowie dem feuerverzinkten Betonstahl. Alle zehn Unternehmen waren mit unterschiedlicher Gewichtung in diesen Projekten involviert. Zwei Projekte wurden bereits innerhalb von vier Monaten abgeschlossen. Die beiden anderen Projekte befinden sich inzwischen in der weiteren Ausarbeitung. Mittlerweile hat sich die Anzahl der Mitglieder im CBI mit 22 immatrikulierten Unternehmen mehr als verdoppelt. Das liegt auch daran, dass sich das CBI zusätzlich im Bereich Modulbau aufstellte, beispielsweise mit einem Projekt zum Nachweis des Brandschutzes für den Modulbau in Stahlbauweise.

An welchen Projekten arbeiten Sie aktuell? Können sich noch weitere Unternehmen einbringen?

Neben den fünf laufenden Projekten werden aktuell drei Projekte mit Fokus auf den Infrastrukturbedarf für das automatisierte Fahren und die industrielle Vorfertigung sowie die damit einhergehende Digitalisierung initiiert.
Im Bereich Modulbau erarbeitet das CBI zusammen mit den Mitgliedern und dem Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen einen Praxisleitfaden zur Nachweisführung brandschutztechnischer Eigenschaften von Raumzellengebäuden. Hier gibt es große Unsicherheiten auf dem Markt, die voraussichtlich Ende 2020 mit diesem Praxisleitfaden ausgeräumt werden können. Ein weiteres Beispiel aus dem Brückenbau ist die Steigerung der Akzeptanz von modularen Brücken in Deutschland, indem das CBI zusammen mit den Mitgliedern zuerst einen Entwurf erarbeitet hat und jetzt in die Richtung einer Standardisierung geht. Parallel werden Projekte zum Infrastrukturbedarf für automatisiertes Fahren oder für das industriell segmentierte Bauen auf den Weg gebracht.Wir sind immer offen für neue Partner, die Interesse an unseren aktuellen Themen haben oder sich gerne mit ihren eigenen Vorstellungen einer modernen Bauwirtschaft im CBI einbringen möchten.

Auf dem Campus West ist temporär für das Cluster Bauen eine Referenzbaustelle zur Erforschung der Baustelle der Zukunft eingerichtet. Wie nutzt das Center die Baustelle?

Die Referenzbaustelle bietet unseren Mitgliedern zusätzlich die Möglichkeit, deutlich umfangreichere Demonstrationsanwendungen im Bereich Brückenbau, Hochbau oder Straßenwesen in einem größeren Maßstab zu überprüfen.

Welche Bedeutung hat das Ökosystem RWTH Aachen Campus für das Bauwesen und damit für Ihre Mitglieder?

Der RWTH Aachen Campus bietet dem Bauwesen eine center-, branchen- und unternehmensübergreifende Vernetzungsmöglichkeit sowie Zusammenarbeit – also ganz neue Potentiale. Dadurch können wir zusammen mit den immatrikulierten Unternehmen von neuen Lösungsstrategien und -möglichkeiten, Themen, Produkten oder Anwendungsfeldern sogar über das Bauwesen hinaus profitieren, die man bislang noch gar nicht in Betracht gezogen hat.

Wo geht die Reise im Bauwesen und des CBI hin?

Durch die Corona-Zeit und dem damit verbundenen höheren Einsatz der Digitalisierung ergibt sich jetzt die Chance, dass sich die Baubranche der Potentiale, die damit einhergehen, bewusst wird, diese schneller und vermehrt nutzt beziehungsweise umsetzt. Andere Branchen wie die Produktionstechnik sind uns hier noch einen Schritt voraus. Wir wollen die optimalen Rahmenbedingungen schaffen, Unternehmen aus der Baubranche bei der Entwicklung und Umsetzung von Innovationen – beginnend bei der Idee über die Produktentwicklung bis hin zur nationalen oder internationalen Zulassung – zu begleiten.