14. November 2022
Als engagierter Dienstleister im Bereich der Leichtbauproduktionstechnik verbindet die AZL Aachen GmbH Forschung und Wirtschaft miteinander. Für eine neue Ausgabe von „Nachgefragt bei…“ haben wir mit den Geschäftsführern der AZL Aachen GmbH, Dr. Kai Fischer und Dr. Michael Emonts gesprochen. Im Interview reden die beiden über Joint Partner Projekte, die als Teilchenbeschleuniger fungieren, die intensive Zusammenarbeit mit Partnerunternehmen und das im Oktober 2022 gestartete Projekt „Konzeptstudie für Cell-to-Pack Batteriegehäuse“.
2012 wurde die AZL Aachen GmbH als Dienstleister im Bereich der Leichtbauproduktionstechnik gegründet. Mit Ihren eigenen Worten: Was macht die AZL Aachen GmbH?
Dr. Kai Fischer: Wir verstehen uns als One-Stop-Shop für Markt- und Technologie-Know-how entlang der Wertschöpfungskette von faserverstärkten Kunststoffen und den damit assoziierten Produktionstechnologien. Unser Ziel ist es, Expert*innen und Entscheidungsträger*innen aus Wissenschaft und Industrie zusammenzubringen, um die Geschäfts- und Technologieentwicklung in der Leichtbauindustrie zu unterstützen. Mit den drei Säulen Engineering, Beratung und der AZL-Partnership entwickeln unsere erfahrenen Ingenieur*innen wettbewerbsfähige Innovationen für wirtschaftlich hoch relevante Marktsegmente und finden geeignete Partner für die industrielle Umsetzung und Markteinführung.

Dr. Michael Emonts: Inhaltlich streben wir „Top-Down“ Entwicklungen an, wir wollen also Lösungen für konkrete Hemmnisse zur Verbesserung der kostenseitigen und ökologischen Effizienz von Produkten schaffen. Daher haben wir von Anfang an Wert daraufgelegt, mit vielen internationalen Industriepartnern zusammenzuarbeiten. 2012 sind wir mit einer Studie zum Thema „Massenproduktion von Leichtbauteilen“ gestartet. Darin haben wir zusammen mit 34 Unternehmen unterschiedliche Branchen analysiert: Transport, Öl und Gas, Gebäude und Infrastruktur sowie Consumer-Products – um einige zu nennen. Durch unser strukturiertes Vorgehen haben wir Antworten auf verschiedene Fragen gefunden: Wie können Marktsegmente am besten aufgeteilt werden? Wie groß sind die Marktsegmente monetär, welche Wachstumsraten liegen vor und welche zukünftigen Trends ergeben sich in den Märkten? Aus dem Marktverständnis haben wir abgeleitet, welche technologischen Verbesserungen erreicht werden müssen, damit in den Märkten neue Anwendungen mit neuen Werkstoffen erschlossen werden können.

Gleich im Anschluss an die initiale Studie haben Sie das erste Joint Partner Project gestartet. Was hat es damit auf sich?
Fischer: Die Joint Partner Projects sind für uns eine Art Teilchenbeschleuniger: Wir nehmen über die systematische Analyse des neusten Stands der Technik Schwung auf, identifizieren daraus Themen und Umsetzungswege, um in verschiedene Projektformen einzusteigen. Wir vernetzen Industrie- und Forschungspartner jeweils untereinander, um daraufhin mit viel Wissen, sehr guter Vorarbeit und einer klaren Zielsetzung für technologische Verbesserungen Projekte zu initiieren. Das Konzept der Joint Partner Projects ist, dass viele Industriepartner zusammenkommen, Projekte gemeinschaftlich finanzieren und innerhalb der Projekte vorwettbewerblich netzwerken. Uns ist wichtig, dass Technologien gemeinsam im Konsortium neu- oder weiterentwickelt werden und wir uns gemeinsam neue, zukunftsträchtige Märkte bezüglich der Informationen und Strategien erarbeiten.
Das heißt, sie setzen in einem neuen Projekt auf das neu erlernte Wissen aus den Joint Partner Projects auf.
Emonts: Genau. Die industrierelevanten Trends werden von uns aufgegriffen und in den Markt- und Technologiestudien detailliert analysiert. Aus den Technologiestudien heraus identifizieren wir konkrete industrielle Bedarfe, die wir dann gemeinsam mit den Unternehmen umsetzen. So haben wir beispielsweise eine neuartige, energieeffiziente Doppelbandpressen-Technologie mit induktiver Prozesserwärmung entwickelt, patentiert und prototypisch aufgebaut sowie erprobt. Dieses System wird bereits erfolgreich in Lizenz von Partnerfirmen vermarktet. Ein anderes Beispiel ist die Entwicklung eines Maschinensystems, das 2019 mit dem renommierten International JEC Award in Paris ausgezeichnet wurde. Mit dem Maschinensystem können last- und verschnittoptimierte Halbzeuge aus Karbonfaser-verstärkten Kunststoffen in Taktzeiten von wenigen Sekunden produziert werden. Im Vergleich hierzu benötigten herkömmliche Technologien Taktzeiten von mehreren Minuten. Die beiden exemplarisch genannten Projekte erfolgten in enger Zusammenarbeit zwischen dem Forschungsinstitut Aachener Zentrum für integrativen Leichtbau der RWTH Aachen und den jeweiligen Industriekonsortien. Falls sich aus den Technologiestudien erst einmal grundlegender Forschungsbedarf ergibt, überführen wir den in öffentlich geförderte Projekte. Unabhängig von den konsortialen Projekten führen wir zudem bilaterale Entwicklungs- und Dienstleistungsprojekte durch.
Können Sie einen Einblick in aktuelle Beispiele von Joint Partner Projects geben?
Fischer: Nachhaltige Mobilität ist für unsere Kunden natürlich ein relevantes Thema, Batteriegehäuse sind beispielsweise aus einer wirtschaftlichen und technologischen Sicht interessant. In verschiedenen Projekten geht es darum, kunststoffbasierte Werkstoff- und Produktionskonzepte zu erarbeiten, die eine Herstellung von leichteren und gleichzeitig kostengünstigeren Batteriegehäusen ermöglichen.
Das erste Joint Partner Project zu dem Thema lief über zwölf Monate, es wurde 2020 aus den AZL-Partnerunternehmen initiiert. In dem Projekt haben wir zusammen mit 46 Industriepartnern sehr detailliert den Stand der Technik aufbereitet: Was gibt es Anwendungen für Batteriegehäuse? Welche Anforderungen, Standards und Normen gibt es? Zusammen mit OEM -Beteiligung haben wir anschließend ein Referenz-Batteriegehäuse aus Aluminium aufgebaut, damit wir für den späteren Benchmark eine objektive Basis haben, um Produktionskosten und das Gewicht des Batteriegehäuses vergleichen zu können. Mithilfe der Referenz-Spezifikationen haben wir 20 verschiedene Material- und Produktionskonzepte sehr detailliert erarbeitet. Aufgrund dieser Basis waren wir uns sicher, dass die ausdetaillierten Konzepte den Anforderungen des Aluminium-Referenzgehäuses entsprechen.

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Demonstration von Technologien zur Herstellung von Batteriegehäusen
Und das Wissen übertragen Sie auf das im Oktober 2022 gestartete Projekt „Konzeptstudien für Cell-to-Pack Batteriegehäuse“?
Fischer: Für das neue Projekt nehmen wir die zuvor erarbeitete Projektschablone und führen die Konzeptstudie für die neue Speichertechnologie durch. Im Vorgängerprojekt ging es um Module und die Frage nach dem aktuellen Stand der Technik. Im neuen Projekt werden wir versuchen, Bauraum und Kosten der Batterie einzusparen, daher ist die „Cell to Pack Technologie“ sehr wichtig. Hier machen wir die Konzepte für die Technologie. Es ist keine Überführung der konkreten Komponenten, die wir im Vorgängerprojekt entwickelt haben, sondern vielmehr die Anwendung der gleichen Methodik.
Warum liegt Ihr Fokus im neuen Projekt auf der „Cell to Pack“-Technologie?
Emonts: Wir beobachten die aktuellen Markt- und Technologietrends im Bereich der Batteriespeicher für Elektromobile sehr genau. Ein besonderes Augenmerk legen wir auf die „Cell to Pack“ und „Cell to Body“-Technologien aufgrund ihrer Vorteile bezüglich Gewicht, Kosten und Bauhöhe. Für uns ist es nur konsequent, zu sagen: Wenn bestimmte Trends für die Industrie interessant werden, dann müssen wir unsere Zielgruppe darauf einstellen, wie die Gehäuse gestaltet sein sollen und welche Funktionen sie erfüllen müssen, damit das Thema auf dem freien Markt adressiert werden kann. Zudem gibt es in der „Cell-to-Pack“-Technologie deutlich mehr Konfigurationen und für die Energiespeicherung. Mit unserem erfahrenen Engineering-Team werden clevere und praxisrelevante Ideen erarbeitet, wie Kunststoff-Batteriegehäuse gestaltet und produziert werden können, damit sie kosten- und gewichtsoptimiert sind. In dem Projekt werden wir einen Fokus darauflegen, den CO2 Footprint von verschiedenen Lösungen detailliert gegeneinander zu benchmarken. Das Projekt ist für eine Dauer von zehn Monaten angelegt.
Wie sieht die Zusammenarbeit mit Ihren Partnerunternehmen aus?
Das AZL Annual Partner Meeting 2022

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Das AZL Annual Partner Meeting 2022
Fischer: Neben individuellen Kooperationen bieten wir durch Business-, Business-Plus- und Premium Partnership-Rahmenverträge Zugang zu Dienstleistungsangeboten und unserem Open-Innovation-Netzwerk von mehr als 80 internationalen Unternehmen entlang der Leichtbau-Wertschöpfungskette. Mit diesen Unternehmen diskutieren wir kontinuierlich Trends. Die Trenddiskussion findet in erster Linie in unseren Workgroups und dem AZL Annual Partner Meeting statt. Da beschließen wir zusammen mit den Industriepartnern, wo die gemeinsamen Interessen liegen. Unsere Aufgabe ist es dann, die Interessen in konkrete Projekte zu überführen. Dieses Prozedere setzen wir für die meisten Joint Partner Projects um. Den Entwicklungsprojekten im Bereich Batteriegehäuse vorangegangen war der Wunsch unserer Industriepartner, dass wir uns intensiv mit „Future Mobility“ auseinandersetzen.
Daraufhin haben wir eine Markt- und Technologiestudie zu diesem Thema durchgeführt. Aufgrund unserer Ideen, wie Batteriegehäuse kostengünstiger und leichter hergestellt werden können, haben wir die Projekte entwickelt und unseren Industriepartnern vorgeschlagen. Nach Diskussionen zur Zielsetzung und zum Zeitrahmen bieten wir die Projekte dann den Unternehmen an und stellen Konsortien zusammen.
Am 27. Oktober 2022 fand das Kick-Off vom Projekt „Cell to Pack Batteriegehäuse“. Was passierte bei der Veranstaltung?
Emonts: Bei unseren Kick-off-Veranstaltungen geben wir den Unternehmen die Möglichkeit, sich vorzustellen. Typischerweise nutzen wir dafür Pitch-Präsentationen: Was macht das Unternehmen zum Thema Batteriegehäuse? Welche Erwartungen hat die Firma an das Projekt? Schon vor dem Kick-off haben 30 Unternehmen zugesichert, dass sie an dem Projekt teilnehmen werden. Die Erfahrung zeigt uns, dass nach dem Kick-off viele weitere Unternehmen dazu stoßen werden. Es ist immer möglich, dem Konsortium beizutreten. Ein so großes Konsortium ist ein großer Mehrwert für die Unternehmen: Sie treffen sich bei unseren Netzwerktreffen mit weiteren Experten, die unterschiedliche Perspektiven mitbringen. Rohstoffhersteller sind genauso vertreten wie OEMs oder Verarbeiter, Maschinenhersteller und Automatisierungsanbieter. Durch unser Netzwerk können die Unternehmen wichtige Kontakte aufbauen und sich konkret mit einem für die Gesellschaft wichtigen technologischen Thema auseinanderzusetzen.
Ist der Standort auf dem Campus Melaten vorteilhaft?
Emonts: Die AZL Aachen GmbH kooperiert sehr eng mit dem Aachener Zentrum für integrativen Leichtbau der RWTH Aachen und weiteren Instituten des RWTH Campus. Ziel des Aachener Zentrums für integrativen Leichtbau ist die Überführung des Leichtbaus in die Großserie durch die enge interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen den Werkstoffwissenschaften und der Produktionstechnik zur Umsetzung großserientauglicher Prozessketten. Wir profitieren auch sehr stark von der dort vorhandenen Expertise und Infrastruktur, die zur Umsetzung von experimentellen Forschungs- und Entwicklungsprojekte unerlässlich ist. Alle Mitarbeitenden, die die Projekte initiieren und bearbeiten, sind absolut open-minded. Wir sind täglich mit den neuesten Entwicklungen von Designmethoden, Fertigungstechniken und Produkten konfrontiert und denken in einem sehr großen Lösungsraum. Wir kombinieren verschiedene Lösungsprinzipien, beispielsweise unterschiedliche Prozesswirkmechanismen zu innovativen Produktionsverfahren, -verfahrenskombinationen und -prozessketten, die wir kontinuierlich bezüglich wirtschaftlicher, technologischer und ökologischer Entwicklungsziele bewerten. Zusätzlich sind wir auf dem Campus immer in Entwicklungen involviert. Wir betreiben nicht nur das Netzwerk und bieten Entwicklungsdienstleistungen an, sondern fördern auch die Initiierung von Projekten für unsere Forschungspartner: Die acht Institute die in unserem Center mitorganisiert sind. Unsere Industriekunden sind sich der technologischen Vielfalt bewusst, sie schätzen auf der einen Seite Visionäre, auf der anderen Seite aber auch harte Entwicklungskriterien hin getrimmte Leistungen zu erhalten.
Können Sie ein Beispiel für die relevante Infrastruktur nennen?
Fischer: Für die Entwicklung vom Automobilkomponenten ist wichtig, dass diese nicht nur auf Prüfkörperebene durchgeführt wird, sondern, dass man hier auch auf große Anlagen zugreifen kann. Im Aachener Zentrum für integrativen Leichtbau liegt der Forschungsschwerpunkt auf der automatisierten Großserienfertigung. Hier stehen Großanlagen für Industrie-Forschungsprojekte sowie für öffentlich geförderte Projekte zur Verfügung, mit denen Projekte zu Batteriegehäusen durchgeführt werden. Beispielsweise eine 1.800 Tonnen Presse oder eine Großspritzgießmaschine mit der flexiblen Wendeplattentechnologie. Das ist der Vorteil hier vor Ort: Man kann viel sehr effizient im Kleinen ausprobieren und hier auf die entsprechende Expertise und Technik zurückgreifen. Zusätzlich können wir immer auf große Anlagen zurückgreifen, die nach Industriestandard und nach realen Bauteilabmessungen Entwicklungen bis hin zur Überführung in die Vorserienentwicklung realisieren.

Campus GmbH/Moll

Auf Anlagen, Expertise und Technik kann auf dem Campus Melaten zurückgegriffen werden