22. August 2022
Obst aus Spanien, Blumen aus den Niederlanden oder Miniaturfiguren aus dem Erzgebirge. Täglich werden unzählige Waren auf Lastkraftwagen quer durch Europa transportiert. Verkehr und Transport gelten deutschlandweit als zweitgrößter Verursacher von klimaschädlichen CO2-Emissionen. Für rund 20 Prozent der gesamten jährlichen Treibhausgasemissionen ist der Verkehrs- und Mobilitätssektor verantwortlich, 35 Prozent davon erzeugen allein der Waren- und Güterverkehr mit schweren Lkw. Um Klimaneutralität zu erreichen, arbeiten Forscher*innen der RWTH Aachen daran, den Güterverkehr zu elektrifizieren. Mit Erfolg, denn Ende Juli wurde der europaweit erste Prototyp eines reinen Elektro-Lkw mit Oberleitungsstromabnehmer erfolgreich realen Bedingungen ausgesetzt.
Bislang gab es aufgrund des hohen Energiebedarfs der Lkw keine wirtschaftliche Lösung für die Elektrifizierung der Fahrzeuge bis maximal 26 Tonnen zulässigen Gesamtgewichts. In dem vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) geförderten Forschungsprojekt „Lebenszykluskostenreduktion im elektrischen Verteilerverkehr“ (LiVe) wird aktuell an Lösungen gearbeitet, um die schweren Langstreckenfahrzeuge künftig hinsichtlich des Energiebedarfs und der Lebenszykluskosten optimiert einzusetzen.
An dem Forschungsvorhaben sind neben dem Lehrstuhl Production Engineering of E-Mobility Components (PEM) das Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen, der japanische Fahrzeughersteller Isuzu und die Anlauffabrik beteiligt.

PEM

Bei der Entwicklung des reinen Elektro-Lkw mit Oberleitungsstromabnehmer unterstützte die Anlauffabrik im Cluster Produktionstechnik auf dem RWTH Aachen Campus beim Gesamtfahrzeugaufbau und bei der Fertigung der Batteriepacks, die für das Remanufacturing einzelner Batteriemodule und -zellen optimiert wurde. Einzelne Batteriemodule, die ausfallen oder nicht ausreichend leistungsstark für den Fahrzeugbetrieb sind, können so flexibel ausgetauscht werden. Das Gehäuse für das Batteriepack wurde in der Anlauffabrik entwickelt, durch Laserstrahlschneiden, Biegen sowie Remote-Laserstrahlschweißen gefertigt und anschließend aufgebaut und ins Fahrzeug integriert.
Der Elektro-Lkw kam auf dem fünf Kilometer langen „eHighway“
von Siemens in Groß-Dölln bei Berlin zum Einsatz und absolvierte seine
erste erfolgreiche Probefahrt. In den vergangenen Monaten wurden bereits mehrere Fahrtests in Aachen absolviert, um das sogenannte „Anbügeln“ des Stromabnehmers, eines Pantographen, an die Oberleitung im Stand zu simulieren. Auf der Teststrecke in Brandenburg wurde der Lkw dann erstmalig während der Fahrt mit der Oberleitung in Kontakt gebracht und über den Pantographen mit Strom zum Antrieb versorgt.

PEM/Rahul Pandey

Das vom BMUV geförderte Forschungsvorhaben läuft bis Ende 2022. Bis dahin sollen noch zwei weitere elektrische Lkw entwickelt werden, unter anderem ein wasserstoffbetriebenes Fahrzeug mit Brennstoffzelle. Die aus der Probefahrt in Groß-Dölln gewonnenen Erkenntnisse sollen in die weitere Entwicklung des Forschungsprojektes vom PEM, dem WZL, Isuzu und der Anlauffabrik einfließen.

Zusammen mit Wissenschaft und Wirtschaft bildet die Anlauffabrik ein Expertennetzwerk, das sich mit fachspezifischen Trendthemen beschäftigt. Mit ihrer technischen Ausstattung und dem Know-how bei der Produktion von Kleinserien, vor allem von (Elektro-)Fahrzeugen, unterstützt die Anlauffabrik vor allem kleine und mittelständische Unternehmen.