29. Juni 2022
Wuseliges Treiben auf der rund 10.000 Quadratmeter großen Referenzbaustelle vom Center Construction Robotics (CCR) auf dem Campus West: Vom 20. bis 24. Juni fand auf dem Gelände die Festwoche „Open minds meet open Campus“ statt. Das CCR, das zum Cluster Bauen gehört, betreibt die erste Referenzbaustelle Europas. Die Baustelle der Zukunft dient als Reallabor, in dem neue Bauprozesse, Bauprodukte und vernetzte Maschinen den Einsatz von Robotern, Softwarelösungen sowie Lehr-, Arbeits- und Kommunikationskonzepte unter realen Baustellenbedingungen erproben.

Die Referenzbaustelle ist eine Plattform für den Aufbau eines weitreichenden europäischen sowie regionalen Netzwerks für Forschungs-, Industrie- und Lehrkooperationen im Bereich der Transformation des Bauens: Es werden nicht nur Partner aus der europäischen Bauindustrie, sondern auch Unternehmen wie Start-Ups und öffentliche Einrichtungen oder Verbände eingebunden. Prof. Sigrid Brell-Cokcan vom RWTH-Lehrstuhl für individualisierte Bauproduktion sagt: „Nur durch die Kombination des Wissens und der Expertise verschiedener Fachdisziplinen wie Maschinenbau, Informatik, Bauingenieurwesen und Architektur werden wir in der Lage sein, eine neue digitale Bauumgebung umfassend zu entwickeln und traditionelle Bauweisen digital zu transformieren.“

Willkommen geheißen im Center Construction Robotics wurden zwei neue Unternehmen, die sogleich eine Mitgliedsplakette erhielten: RIEGL Laser Measurements Systems sammelt seit über 40 Jahren Erfahrung auf dem Gebiet der Forschung, Entwicklung und Fertigung von Laser Entfernungsmessern, Distanzmessgeräten und Laserscannern sowie im Bereich der 3D-Messtechnik. Das österreichische Traditionsunternehmen FunderMax ist Hersteller hochwertiger Holzwerkstoffe und Weltmarktführer für Compactlaminate sowohl für den Innen- als auch für den Außenbereich. Die beiden neuen Mitglieder erhielten gemeinsam mit allen Teilnehmenden der Festwoche eine Führung durch die beeindruckende und vielfältige Infrastruktur der Referenzbaustelle. Sämtliche Institutionen können auf die von der Industrie bereitgestellten Baustelleneinrichtung und die Außenflächen nach dem Fair-Use-Prinzip zurückgreifen. Wer etwas in das Gemeinschaftsprojekt einbringt oder weitere Infrastruktur bereitstellt, hat die Möglichkeit, die Baustelleneinrichtung vergünstigt oder sogar kostenfrei für einen bestimmten Zeitraum unter fachlicher Begleitung zu nutzen.
Tom Wünsche, Referent aus dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) eröffnete am dritten Tag der Festwoche die Abschlussfeierlichkeiten zum Forschungsprojekt „Internet of Construction“ (IoC). In dem RWTH-Projekt unter der Leitung von Prof. Brell-Cokcan forschten in dem vom BMBF-geförderten Projekt zehn Unternehmen und Forschungseinrichtungen an einer IoC-Systematik zur wertschöpfungskettenübergreifenden Zusammenarbeit in der Bauwirtschaft. Von der Planung über die Vorproduktion bis zur Montage auf der Baustelle werden digitale Lösungen entwickelt und vernetzt, um die Digitalisierung und Automatisierung im Bauwesen voranzutreiben. Das IoC umfasst die Entwicklung cyberphysikalischer Systeme für die Bauablaufplanung und die Logistik zur Baustellenassistenz, zur Baufortschrittsüberwachung und zur Baudokumentation.

CCR

Im Mittelpunkt dieser Entwicklungen steht die IoC-Systematik. Sie dient als BIM-Erweiterung und integriert – unternehmensübergreifend – Planungs-, Vorfertigungs-, Transport- und Montageprozesse. Durch die intensive Zusammenarbeit der Forschungseinrichtungen und Industriepartner konnten die Entwicklungen unter realen Baustellenbedingungen am IoC-Demonstrator erprobt, weiterentwickelt und validiert werden.
Am vierten Tag der „Open minds meet Campus“ Festwoche präsentierten Prof. Dr. Markus Kuhnhenne vom Institut für Stahlbau – Nachhaltigkeit im Metallleichtbau der RWTH und Sebastian Möller (RWTH Aachen Campus GmbH) in ihrem Vortrag „Von modular bis zirkulär: Shift happens“ ihre Erkenntnisse zur Konzeption und Vorplanung vom Reallabor Modulo. Im Fokus der Präsentation standen Antworten auf die Fragen, warum Modulbau benötigt wird, was Modulbau leisten kann und warum beim Bauen zirkulär gedacht werden muss. Projektleiter Sebastian Möller sagt: „Für uns ist das Reallabor eine spannende Möglichkeit, zu untersuchen, welche Potenziale der Modulbau mit sich bringt. Gleichzeitig aber auch, um die Grenzen auszuloten, die uns im realen Baubetrieb gesetzt werden. Mithilfe der Erkenntnisse aus dem Reallabor generieren wir wichtige Verbesserungsprozesse für den Modulbau.“ Neben den Verbesserungsprozessen liegt ein weiterer Schwerpunkt auf der Nachhaltigkeit im Baubetrieb: „Im Modulbau ist der Nachhaltigkeitsaspekt von besonderer Bedeutung: Durch industrielle Fertigungsprozesse können demontierbare Verbindungen und wiederverwertbare Bauteile produziert werden. Das Spannungsfeld zwischen hochindividualisierbaren Produkten und der seriellen Fertigung zur Verbesserung wesentlicher Rahmenbedingungen wie Kosten, Termine und Qualität ist zudem hochinteressant. Und genau solche Prozesse können wir im Reallabor untersuchen und ausprobieren.“

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Im Anschluss an den Vortrag von Prof. Markus Kuhnhenne und Sebastian Möller fanden Projekttreffen zu aktuellen Industrieprojekten statt, unter anderem zu „5G.NAMICO“. Im Rahmen dieses Forschungsprojekts soll 5G im Bau- und Bergbaubereich der Zukunft eingesetzt werden. Basierend auf den Erkenntnissen aus vorausgegangenen Projekten wie dem 5G-Industry Campus Europe soll ein 5G-Netz auf einer Referenzbaustelle und in einem Bauwerk unter Tage installiert werden, um die Vorteile der Technologie zu nutzen. Eine Herausforderung sind dabei die widrigen und wechselnden Umgebungen: Staub, Vibrationen und Feuchtigkeit stellen Anforderungen an ein dynamisches 5G-Netz, das den rauen Betriebsbedingungen standhalten muss. Die 5G-Technologie, die für den Einsatz in industriellen Umgebungen und offenen Bereichen entwickelt wurde, muss daher weiterentwickelt werden. Der Einsatz von 5G im Bauwesen und im Bergbau hat das Potenzial, Prozesse zu automatisieren und die Arbeitsbelastung des Personals zu reduzieren. Voraussetzung dafür ist die Entwicklung von verbesserten Sicherheitskonzepten, die den Menschen in teil- und vollautomatisierten Prozessen schützen und gleichzeitig die digitale Transformation voranbringen soll. Um 5G künftig auf Baustellen und im Bergbau einzusetzen, werden im Projekt zunächst ausgewählte Anwendungsfälle betrachtet, die sich mit der Automatisierung einzelner Arbeitsprozesse und Sicherheitsaspekte befassen.