27. August 2024
Unterstützung durch das Center Connected Industry
Das Center Connected Industry (CCI) aus dem Cluster Smart Logistik arbeitet eng mit Unternehmen zusammen, um diese Herausforderungen zu bewältigen. Durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) können Informationen schneller und präziser verarbeitet werden. Automatisierte Workflows in anderen Systemen tragen dazu bei, die Produktivität und Prozesssicherheit zu erhöhen und die Mitarbeitenden in ihren Aufgaben zu unterstützen.
Um bei komplexen Prozessen Verbesserungspotenziale zu identifizieren, führt das Center Connected Industry regelmäßige Prozess-Analysen in der Demonstrationsfabrik Aachen (DFA) und bei Industriepartnern durch. Dabei stellten die Wissenschaftler beispielsweise fest, dass die DFA die Qualitätskontrolle von lackierten Baugruppen einer neuen Produktgruppe manuell durch Sichtprüfung und Dokumentation vornimmt. Die Produktionsaufträge werden bei den Qualitätskontrollen zunächst im ERP-System überprüft. Anschließend werden die Produkte auf Kratzer, Farbläufer und Farb- sowie Lufteinschlüsse untersucht. Die Fehler werden pro Auftrag und Fehlerbild summiert und notiert, um sie bei Bedarf zu reklamieren. Stichprobenartig werden Fehler dokumentiert, indem ein Foto des Fehlers gemacht und die Fehlerart sowie deren Position auf dem Bauteil beschrieben werden.
Effiziente Lösungen für Qualitätskontrollen
Um zu zeigen, dass komplexe Prozesse und Probleme auch mit kostengünstigen Lösungen optimiert werden können, hat das CCI das Projektvorhaben AI-Cam Quality-Gate gestartet: Ein PC mit einer Webcam und einer Anwendung mit KI-Bildverarbeitung, um Bauteile auf Fehler wie Kratzer, Farbläufer und Farbeinschlüsse zu untersuchen und zu identifizieren. Das System nimmt Bilder der Bauteile auf, kennzeichnet sie mit der entsprechenden Fehlerklasse und speichert sie in einer Datenbank. Durch die einfache Bedienbarkeit über eine Weboberfläche können auch Mitarbeitende ohne technische Vorkenntnisse das System effizient nutzen.
Sieben Schritte zur Effizienz
Der Weg zur Implementierung der AI-Cam Quality-Gate umfasst sieben Phasen:
- Konzeption: Planung der Software- und Hardwarearchitektur und Definition der Fehlerkategorien.
- Realisierung: Aufbau und Programmierung einer Arbeitsstation zur Bildaufnahme und -kennzeichnung.
- Datensammlung: Nutzung der Station zur Aufnahme und Kennzeichnung von Bauteilbildern.
- Trainingsphase: Auswahl und Training eines KI-Modells mit den gesammelten Bilddaten.
- Testphase: Erprobung des Modells im Produktionsbetrieb.
- Erweiterung: Anbindung an das ERP-System zur automatisierten Qualitätsprotokollierung und -auswertung.
Das Center Connected Industry legte zusätzlich verschiedene Kategorien, sogenannte „defect classes“ fest, um die Qualität der lackierten Baugruppen zu bewerten. Diese Kategorien helfen dabei, die Art der möglichen Schäden genau zu bestimmen und entsprechend zu dokumentieren.
- Unbeschädigt: Das Bauteil weist keine sichtbaren Mängel auf.
- Beschädigt: Kratzer: Das Bauteil hat Kratzer auf der Oberfläche.
- Beschädigt: Farbläufer: Es sind Spuren von verlaufener Farbe sichtbar.
- Beschädigt: Farb-/Lufteinschlüsse: In der Lackierung befinden sich Einschlüsse von Farbe oder Luftblasen.
Datenaufbereitung und Training
Für die Datenaufbereitung wird eine spezielle „Labeling Station“ verwendet, die aus Hardware und Software besteht. Die „Labeling Station“ ermöglicht es, die aufgenommenen Bilder der Bauteile mit den passenden defect classes zu kennzeichnen: Wenn ein Bauteil einen Mangel aufweist, wird dieser Mangel in eine passende Kategorie gesteckt, die beispielsweise „Kratzer“, „Lack“ oder „Riss“ lauten kann. Über eine benutzerfreundliche Weboberfläche können Mitarbeiter per Knopfdruck ein Foto des Bauteils erstellen und es anschließend mit dem entsprechenden Label versehen. Der Prozess ist absichtlich so simpel gestaltet, sodass auch ohne Vorkenntnisse damit gearbeitet werden kann.
Die mithilfe der Webcam gesammelten Bilddaten werden in Trainings-, Validierungs- und Testsets unterteilt. Dabei wird das KI-Modell so trainiert, dass es Fehler zwischen vorhergesagten und tatsächlichen Labels minimiert. Der Prozess wird durch regelmäßige Evaluation und Anpassungen optimiert.
Echtzeit-Fehlererkennung
Nach erfolgreicher Testphase wird das trainierte KI-Modell in den Livebetrieb zur Überprüfung der lackierten Baugruppen überführt. Dabei kommt das YOLO-Framework (You Only Look Once) zum Einsatz. YOLO ist eine fortschrittliche KI-Bibliothek, die Bilder in einem einzigen Durchlauf analysiert und dabei schnell und präzise Objekte und Fehler klassifiziert. Das YOLO-Framework ist besonders bei der Erkennung kleiner und subtiler Abweichungen effektiv, was es ideal für die Qualitätssicherung macht.
Zukunftsaussichten
Die AI-Cam Quality-Gate soll perspektivisch an das ERP-System der Demonstrationsfabrik Aachen angebunden werden. Das ermöglicht die automatische Erstellung von Qualitätsprotokollen und den Austausch relevanter Daten. So können detaillierte Informationen über jedes geprüfte Bauteil erfasst und exportiert werden, was den gesamten Qualitätsmanagementprozess optimiert.
Mit der AI-Cam Quality-Gate hat das Center Connected Industry eine Technologie entwickelt, durch die die Effizienz und Sicherheit in der Produktion gesteigert werden kann. Die Lösung bietet nicht nur einen Mehrwert für KMUs, sondern setzt auch neue Maßstäbe in der automatisierten Qualitätskontrolle und sorgt dafür, dass die Zukunft der industriellen Produktion effizienter, sicherer und nachhaltiger gestaltet wird.