12. März 2025
Mit dem symbolischen Akt eines Spatenstichs setzten die Initiatoren der RWTH Aachen University am 11. März mehr als ein Zeichen: Für die Zukunft der Spitzenforschung und für den Verbleib der High-Tech-Produktion am Standort Deutschland. Am Campus Melaten entsteht eine neue, hochmoderne Forschungslandschaft. Ziel der Aachener Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist es, mit dem Center für digital vernetzte Produktion (kurz: CDVP) Innovation und technische Exzellenz aus den Maschinenhallen und Laboren der Hochschule auf direktem Weg in die Industrie zu führen.

Das Land Nordrhein-Westfalen sowie der Bund fördern das Projekt mit 107 Millionen Euro an Strukturstärkungsmitteln für das Rheinische Revier. Dies ist sowohl die bisher höchste Einzelprojektförderung des Landes im Rahmen der Strukturförderung im Rheinischen Revier wie auch die höchste Projektförderung an der RWTH Aachen. „Nordrhein-Westfalen ist ein Hightech-Hotspot mit exzellenten Universitäten! Was hier erforscht wird, kommt schnell in die Praxis. Das neue Center für digital vernetzte Produktion ist ein großartiges Beispiel dafür und ein Meilenstein für Forschung und Transfer im Rheinischen Revier: In Aachen entwickeln Forschende aus Maschinenbau, Informatik, Werkstoffwissenschaften, Elektrotechnik und Betriebswissenschaften gemeinsam Maschinen von morgen, die weltweit eingesetzt werden können – von der Sahara bis in die Antarktis. Damit schaffen wir nicht nur neue Jobs, sondern stärken auch die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen“, erklärte Ministerin Mona Neubaur bei der Übergabe des Förderbescheides samt Spatenstich auf dem Campus Melaten.

Ankerprojekt für das Rheinische Revier

Das CDVP ist ein sogenanntes Ankerprojekt. Ankerprojekte sind zentrale, von der Landesregierung ausgewählte Projekte für eine erfolgreiche und beschleunigte Umsetzung des Strukturwandels im Rheinischen Revier. Die Förderung von Bund und Land soll dazu beitragen, das Rheinische Revier zu einem neuen Technologie-Standort für produzierende Unternehmen aufzuwerten. „Der Bewilligungsprozess für das CDVP war äußerst erfolgreich und kann auch Beispiel für andere Projekte sein. Die RWTH und das Manufacturing Technology Institute der RWTH (MTI) haben das komplexe Projekt hervorragend qualifiziert und tragfähige Strukturen aufgebaut. Die Bezirksregierung Köln stand der RWTH dabei in allen förderrechtlichen Fragen stets zur Seite. Diese bislang höchste Einzelförderung im Landesarm des Strukturwandels ist ein wichtiger Schritt für den Strukturwandel im Rheinischen Revier“, so der Kölner Regierungspräsident Dr. Thomas Wilk.

Der Neubau schafft notwendige Infrastruktur und setzt den Rahmen für zukünftige Projekte in enger Vernetzung von Hochschule und Wirtschaft. Die Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationsfabrik wird auf knapp 6.400 Quadratmetern Hallen- und Bürofläche ein flexibles Maschinennetzwerk bereitstellen, an dem gezielt neue Daten- und Kommunikationskonzepte für Dienste und Schnittstellen zwischen Menschen, Produktions- und IT-Systemen entwickelt werden.

„Die RWTH Aachen ist – auch aufgrund ihres interdisziplinären Ansatzes – federführend bei der Erforschung von Produktionsstätten. Mit unserer Forschungs- und Transferstärke in der digitalen vernetzen Produktion haben wir uns als RWTH mit unseren Netzwerkpartnern und -partnerinnen für das Rheinische Revier und von dort aus auf internationaler Ebene eine Vorreiterrolle erarbeitet. Der Impact aus dem CDVP wird weltweit prägend sein und unsere Stadt und die Region werden von dieser zukunftsweisenden Forschung hier am Campus Melaten profitieren“, erläutert Professor Ulrich Rüdiger, Rektor der RWTH, beim Spatenstich mit Ministerin Neubaur, Regierungspräsident Dr. Thomas Wilk, Aachens Oberbürgermeisterin Sibylle Keupen, Städteregionsrat Dr. Tim Grüttemeier und Stefan Bötel von Nickl & Partner Architekten.

Großes Interesse an einem besonderen Projekt. Professor Thomas Bergs, Manufacturing Technology Institute der RWTH, stellt das CDVP bei der offiziellen Förderbescheidübergabe mit Spatenstich vor.

Peter Winandy

„Dabei haben wir nicht nur die enormen Herausforderungen aus dem Strukturwandel im Blick, vielmehr sahen und sehen wir das enorme und vielfach ungenutzte Potenzial, welches sich aus der konsequenten Digitalisierung moderner Produktionsprozesse ergeben kann. Diesen Transformationsprozess der Industrie wirkungsvoll und vor allem nachhaltig zu unterstützen, war und ist heute noch die Kernmotivation des MTI für den Aufbau des CDVP“, erklärt Professor Thomas Bergs vom Manufacturing Technology Institute der RWTH, der das Projekt federführend initiiert hat. „Vielfach geht es dabei nicht nur um die Frage, was wir morgen noch produzieren werden – also welche Wachstums- und Zukunftsmärkte wir aus Deutschland heraus bedienen können –, sondern vielmehr auch darum, wie wir morgen produzieren wollen. Vor dem Hintergrund des extrem turbulenten Marktumfeldes, fehlender Planbarkeit und zunehmender Nachhaltigkeitsanforderungen benötigen produzierende Unternehmen sehr agile, anpassungsfähige Fertigungsnetzwerke, die stets in einem optimalen Betriebspunkt betrieben werden, um so die Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsanforderungen sicherzustellen. Und genau hier kommt die Digitalisierung als wesentlicher Befähiger ins Spiel.“

Vier Forschungsperspektiven unter einem Dach

In vier Kompetenzfeldern spiegeln sich die akuten Entwicklungsbedarfe der Industrie wider: Die Forschung an IT-Architekturen und digitalen Plattformen untersucht beispielsweise, wie Daten aus Maschinen im unmittelbaren Umfeld der Produktion effizient und zielführend erhoben, gespeichert, verarbeitet, verdichtet und visualisiert werden. Ziel ist es, die Produktion dadurch besser zu analysieren und zu steuern. Für Unternehmen besonders wichtig ist der Aspekt, neue und bestehende Anlagen in einem gemeinsamen digitalen Umfeld sicher einzubinden und Maschinendaten mithilfe des Digitalen Zwillings und Künstlicher Intelligenz verlustfrei und in Echtzeit über die gesamte Prozesskette hinweg zu nutzen.

Für die flexible Vernetzung der Produktionsmaschinen und -anlagen werden die Forschenden neue Modelle und Algorithmen für die Ermittlung effizienter und ökologisch optimierter Fertigungsrouten erarbeiten: Durch aktuelle Produktionsdaten und Informationen aus der Fertigungshistorie kann errechnet werden, welche Maschinenkonfigurationen und Prozessketten sich für die Herstellung oder Reparatur eines Bauteils sowohl unter Kosten- als auch Umweltgesichtspunkten am besten eignen.

An der Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine wollen die Forschenden die Interaktion in stark digitalisierten Produktionsumgebungen untersuchen und verbessern: Von der Aus- und Weiterbildung mithilfe neuer Lernmethoden und Qualifizierungsprogramme bis hin zum Einsatz von Assistenz- und Unterstützungssystemen für die alternde Gesellschaft. Die Forschungsergebnisse sollen direkt mit Industriepartnern im Rheinischen Revier erarbeitet und in der Praxis überprüft werden, sodass ein unmittelbarer Nutzen auch für kleine und mittlere Unternehmen sichergestellt wird.

Die Bedarfe der Industrie kennen

Für Ergebnisse aus den drei Kompetenzfeldern der Informations-, Produktions- und Arbeitswissenschaften wollen die Forschenden eigene Bewertungsmethoden und -modelle entwickeln, die die Effizienz der Forschungsarbeiten im CDVP sicherstellen. Durch die umfassende Vernetzung, Erhebung und Rückführung von Daten auf allen Ebenen des laufenden Betriebs, verspricht die neue Forschungseinrichtung am Standort Aachen völlig neue technische Möglichkeiten für die angewandte Produktionsforschung.

Damit der Transfer der Forschungsergebnisse in die Industrie tatsächlich gelingt, wird das CDVP gezielt mit Unternehmen im Rheinischen Revier kooperieren. Eine wichtige Aufgabe ist es dabei, gemeinsam mit den produzierenden Unternehmen auch die richtigen Geschäftsmodelle für eine zukünftige Datenökonomie zu entwickeln. Die exakten Bedarfe der Industrie zu erkennen, passende Angebote für Forschung und Entwicklung zu platzieren und die Erkenntnisse aus den gemeinsamen Projekten in die industrielle Anwendung zu bringen, ist das erklärte Ziel der RWTH Aachen und ihrer Partner in diesem Großprojekt.

„Wir wollen als Forschungspartner mit den Unternehmen auf Augenhöhe zusammenarbeiten und bieten ihnen sogar noch mehr als nur eine technologisch einzigartige Infrastruktur und einen vernetzten Maschinenpark, der seinesgleichen sucht“, erklärt Professor Bergs. „Mit dem CDVP wollen wir in Aachen zeigen, wie die Zukunft der Produktionsforschung in Deutschland aussehen kann – und aus unserer Sicht auch sollte: leistungsfähig, innovativ und hochprofessionell in der engen Kooperation mit der Industrie.“